Juhu, unser erster richtig kompletter Reisetag stand uns bevor. Das Duschwasser war natürlich kalt. Brrr... mag mir nicht vorstellen, wie das so ist im Winter hier... es gibt auch ganz viele Campgrounds, wo man nur kalt duschen kann. Die billigen halt. Also, die für uns relevant sind. Rike lief nachm Duschen noch ne Runde und hielt die interessanten “Häuser” fest, die auf dem Soulscape so am Untergrund klebten.
Auf unserem Zettel für heute hatten wir die Waitomo Caves. Höhlen, wo man Glühwürmchen sehen kann. Na ja, was für Mädchen halt
Wir entschieden uns nicht auf einer Main Street weiterzufahren, sondern uns an der Westküste direkt am Meer entlangzuhangeln. Und das sollte für diesen Moment eine goldrichtige Entscheidung gewesen sein. Die Ecke dort entpuppte sich als ein Juwel. Fortbewegen konnten wir uns allerdings nur im Schneckentempo. Kurvig war’s und schotterig. Glaube wir sind nur 30 Kilometer weit gekommen in anderthalb Stunden. Angehalten haben wir natürlich auch ab und an. Ach, es war so schöööön. Und kaum ein Mensch zu sehen. Da ich jetzt erst – drei Wochen später – alles erlebte aufschreibe, weiß ich leider aus dem Stehgreif all die kleinen Orte und Strände nicht mehr so genau, an denen wir vorbeigefahren wurde. Muss euch also mit Bildern vertrösten
Ich bin zwischendurch auch mal gefahren. Bis hin zu den Bridal Veil Falls. Hübscher Wasserfall, den wir uns kurz zu Gemüte geführt hatten.
Das Steuer wurd dann wieder von Rike eingenommen und weiter ging’s. Zwischendurch gab es mal befestigte Straßen. Super fanden wir, dass wir einen Geländewagen unterm Hintern hatten. So hat man halt keine Probleme auf manch wackeligem Untergrund zu fahren.
Und etwas weiter bestand der Untergrund wieder nur aus unbefestigtem Schotter. Man nennt das hier Gravel Road. Wir fuhren nach dem Besuch des Wasserfalls etwa 30 Minuten und plötzlich verlor Rike die Kontrolle über das Auto. Man konnte auf dem Untergrund nicht schnell fahren. Sie fuhr nicht schneller als 40 km/h. Und trotzdem. Wir rutschten hin und her in einem großen Bogen und sahen plötzlich den Abgrund unter uns... der Abgrund war bedeckt von Bäumen und wir überschlugen uns, ich weiß nicht wie oft, wir drehten uns um 180 Grad und nach zehn Metern landeten wir mit den Rädern auf dem Boden. Vielmehr einem kleinen River. Und unglaublich. Ich erblickte das Gesicht von Rike. Sie sah aus wie immer. Vor mir. Zertrümmerte Scheiben und alles im Auto war durcheinander geschüttelt und teilweise explodiert. Ich hatte nicht erwartet, dass ich dort unten noch atmen würde. Als die Hinterräder oben auf der Straße den Untergrund verließen, dachte ich, DAS WAR’S. Es war so ein krasses Gefühl. Wir haben später festgestellt, dass wir gar nicht geschrien haben. Und wenn man bedenkt, dass wir von Ästen hätten erschlagen werden können. Das Auto war ein Käfig und hat uns wahrscheinlich das Leben gerettet. Ich brauchte etwa zehn Minuten bis mich bewegen konnte. Es plätschterte unter uns. Meine Kamera lag auf dem Boden vor mir. Ich weiß nicht, ob ich sie in den Händen gehalten habe. Sie lag am Boden. Sie funktionierte aber. Wir griffen unsere wichtigsten Sachen und kletterten hinauf. Hoch zur Straße und hielten uns an den Ästen und Blättern fest. Oben angekommen, kam glücklicherweise recht schnell ein Auto vorbei... mit drei Schweizern. Was mich aufatmen ließ. So konnte ich einfach deutsch reden. Sie versorgten uns mit allem, was wir brauchten. Und ich brauchte sehr viel Zucker. So trank ich süße Brause, aß zwei Stücke Toblerone und ein Eis. Weiße Schokolade mit Himbeeren. Ich kann nicht ausdrücken wie dankbar ich den Dreien bin. Sie haben dafür gesorgt, dass wir wieder besser durchatmen konnten kurz nach diesem schockierenden Erlebnis.
Hier nur ein paar wenige Eindrücke.
Hier bin ich grad rausgekrabbelt. Ausm Seitenfenster aufs Dach gestiegen. Rike war schon oben.
Unsere Bremsspur.
Das große schwarze Loch.
Rettungsbereite Menschen. War uns fast peinlich. Und Rike dachte, man muss das alles bezahlen. In Neuseeland muss man aber nichts bezahlen, wenn man versorgt wird nach nem Unfall.
Um es kurz zu machen. Ich werde von der Versicherung keinen Cent wiederbekommen (das Auto kostete 2200 EUR), weil ich nur eine Third Party, Fire and Theft Versicherung habe. Ich bin hier AA Member. So eine Art ADAC-Mitglied. Ich rief bei denen an. Sie kamen aber nicht, um zu helfen. Drei Stunden nach dem Unfall eilte Hilfe herbei. Zwei nette Auckländerinnen sorgten im nächst größeren Ort dafür, dass wir versorgt werden. Und so rollten an. Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen. Was für ein Anblick. Wegen uns. Da die AA nicht kam, musste ein Unternehmen bestellt werden, dass das Auto mit dem Kran hochzieht. All unsere Sachen befanden sich ja darin. Mussten wir natürlich selbst bezahlen. 280 Dollar. Na ja, ging ja noch.
Hier wurde das Auto grad hochgezogen.
Mit der Axt freigeschlagen werden musste erst alles. Das Auto war bedeckt von Ästen und Grünzeugs.
Aber erst am nächsten Tag. Wir durften in der Ambulanz-Station (kein Hospital) übernachten. Und wir waren so glücklich über diese Menschen dort. Sowas Freundliches! Und das ist milde ausgedrückt. Sie waren alle so nett und wir durften dort auch übernachten. Sie waren so vertrauensselig.
Ach, und die drei Schweizer brachten uns unsere Sachen noch vorbei.
Sie haben so lange an der Unfallstelle gewartet bis das Auto rausgezogen war. Das haben wir ja selbst gar nicht mehr mitbekommen, wurden viel eher schon nach Kawhia transportiert. Einiges ließen sie im Auto. Es sind halt einige Flaschen und Gläser explodiert und haben sich um die Schlafsäcke gewickelt. Welch Wunder, dass nicht auf uns draufgefallen ist. Ich meine... auch der 10-Liter-Wasserkanister war komplett zerstört. Und mein großes Objektiv ist umhergeflogen und ich weiß nicht was noch alles.
Die Situation war schon wirklich beschissen, ich meine, wir standen nun da. Am Leben, aber ohne Auto, mitten in der Pampa. Auch die Reisepläne waren bedroht (Fähre gebucht, Flug von Rike zurück nach Auckland). So ohne Auto halt. Ich erinnerte mich an die Worte von Bob aus Rotorua (wo ich schon zweimal couchsurfen war), dass ich mich melden soll, wenn ich mal in einer brenzlichen Situation stecke. Und das war wohl so eine. Ich rief Helen und Bob an und (um es kurz zu machen): Bob wollte am nächsten Tag die drei Stunden Autofahrt aufnehmen, um uns abzuholen.
Wir blieben in diesem Gebäude in der Nacht allein zurück. In diesem Gebäude stand der Rettungwagen und die Feuerwehrautos. Für uns war alles so unwirklich. Ich war sehr froh, dass Rike hier war. Wir haben das beide irgendwie toll gemeistert gekriegt. Komischerweise habe ich keine Träne verdrückt, den ganzen Tag über nicht. Wahrscheinlich, weil ich unterbewusst spürte, wie unbedeutend gewisse Dinge plötzlich werden. Kleinigkeiten über die man sich aufregt. Ich glaube so ein Erlebnis krempelt einen auch ein kleines bisschen um. Rike weinte manchmal, wenn ich sie drückte. Weil sie den Wagen gefahren ist. Aber Vorwürfe sind hier fehlt am Platz. Absolut. Wir lachten abends auch ganz viel. Es machte einfach Spaß am Leben zu sein.
Beste Grüße,
Katrin
Wie gut, dass ihr heil geblieben seid und es "nur" das Auto war!
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